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Abschätzung der Gesundheitsschäden in der Bevölkerung
durch die Wiederaufarbeitung Autor: Horst Kuni |
Zum Forschungsbericht
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Die vorliegende Studie ist der aktualisierter Teil eines Forschungsberichtes, den das Otto-Hug-Strahleninstitut im Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg 1990 erarbeitet hat. Gegenstand des Forschungsberichtes war die Frage, ob die Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente im Ausland dem gesetzlichen Kriterium einer "schadlosen" Verwertung entspricht. Diese Alternative zu einer direkten "Endlagerung" hatte der Gesetzgeber zugelassen und dadurch trotz Fehlens eines "Endlagers" den weiteren Betrieb der Atomkraftwerke ermöglicht. Nach Aufgabe einer Wiederaufarbeitung in Deutschland waren Verträge über die Verarbeitung deutscher Brennelemente mit den Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague, Frankreich, und Sellafield, Großbritannien, abgeschlossen worden. Im Forschungsbericht wurde dokumentiert, daß die Wiederaufarbeitung eine Abfolge von Störfällen mit z.T. erheblicher Freisetzung von radioaktiven Schadstoffen war, aber auch im planmäßigen Betrieb zu einer ständigen Verseuchung der Luft und des Wassers führte. Nicht zuletzt war eine ungewöhnlich hohe Strahlenbelastung des Personals zu beklagen. |
Der Ausgangspunkt für den hier präsentierten Teil war eine gemeinsame Untersuchung des National Radiological Protection Board, Großbritannien, und des Commissariat a l'Energie Atomique, Frankreich, die bereits 1979 im Auftrag der Kommission der Europäischen Gemeinschaft, die Kollektivdosis der Bevölkerung Europas und der Welt durch die Wiederaufarbeitung berechnet hatte. Die Bedeutung dieser Untersuchung zeigt das Zitat ihrer Resultate in den Berichten des United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation UNSCEAR sowohl 1982 als auch 1988 an die Vollversammlung der UNO. Damals wurde schon deutlich, daß neben den radiologischen Folgelasten des Uranbergbaus die Wiederaufarbeitung zu den bei weitem schmutzigsten Abschnitten im Weg des Urans gehört. Beiden Ursachen der radioaktiven Belastung ist auch gemeinsam, daß sie nicht nur die derzeit lebende Generation, sondern noch viele weitere Generationen der Menschheit belasten und das in einem globalen Ausmaß. |
Es wurde zwischen der regionalen und globalen Kollektivdosis unterschieden. Als regionale Kollektivdosis wurde die Strahlenbelastung der Bevölkerung in einem Umkreis von 3.000 km um die Anlagen berechnet. Betrachtet wurde dabei sowohl der Luft- als auch der Wasserpfad. Für den Luftpfad wurde nicht nur berechnet, welche Mengen radioaktiver Schadstoffe über die Atemluft in den Körper aufgenommen werden, sondern auch über einen Niederschlag auf Flächen, aus denen durch Landwirtsschaft Nahrungsmittel gewonnen werden. Für den Wasserpfad wurde die Verteilung und Verdünnung der radioaktiven Schadstoffe in den verschiedenen Abschnitten der Nordsee und des Atlantischen Ozeans berechnet und durch Messungen verifiziert. Ihr Weg durch die Nahrungsmittelkette bis zum Menschen wurde quantitativ verfolgt. Die Kollektivdosis dieses Pfades wird im wesentlichen über den Fischkonsum vermittelt. Die globale Kollektivdosis trifft die gesamte Weltbevölkerung. Für ihren Aufbau sind radioaktive Schadstoff relevant, die sich als Gas potentiell über die gesamte Atmosphäre ausbreiten können und deren physikalische Halbwertszeit für eine langfristige Durchmischung zunächst in der nördlichen, später auch in der südlichen Hemisphäre genügend groß ist. |
Die Überarbeitung dieser Untersuchung durch das Otto-Hug-Strahleninstitut sollte folgende Mängel ausgleichen:
Seit der Abfassung des Forschungsberichtes liegen weitere Erkenntnisse zur unterschiedlichen biologischen Wirksamkeit der radioaktiven Schadstoffe und der Atombombenstrahlung vor. Deshalb berechnen sich heute aus der gleichen Kollektivdosis etwa doppelt so viele Krankheitsfälle. |
Für die Berechnung der gesamten Schadenserwartung gehen wir von den in folgender Tabelle aufgeführten, bislang vertraglich vorgesehenen Brennstoffmengen in den verschiedenen Zeitabschnitten mit jeweils 40 GWd/t Abbrand und für die Umrechnung von GW in GW(e) von einem Faktor von 0,3 aus. Für den Standort La Hague haben wir uns auf UP 3 beschränkt, da hier nur Schäden aus aktueller Verarbeitung betrachtet werden sollen und die Verarbeitung in der UP 2 als bereits geschehen oder nicht mehr änderbar angesehen wird.
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Berechnet man nun mithilfe der auf GW(e) normierten Kollektivdosen die Kollektivdosis für die Allgemeinbevölkerung aus den Schadstoffen, die durch die Verarbeitung der deutschen Brennelemente im Ausland freigesetzt werden, ergeben sich die in den beiden folgenden Abbildungen für die 1.Generation und für alle Generationen demonstrierten Ergebnisse. Wiederum wurde für Annahme der Aktivitätsabgaben aus La Hague vom Status quo ausgegangen, während für Sellafield zwei verschiedene Quellen verwendet wurden. Vergleichsweise wurde berechnet, wie groß die Kollektivdosis bei einer ausschließlichen Verarbeitung dieser Brennelemente im Projekt Wackersdorf gewesen wäre. Für den Vergleich mit dem Projekt Wackersdorf wurden die Kollektivdosen aus den beiden ausländischen Anlagen addiert. Abbildung: Kollektivdosis für die 1. Generation und Anzahl der dadurch ausgelösten Krankheitsfälle durch die Gesamtmenge der bisher kontrahierten Brennelemente (Zurück zum Text) ![]() Abbildung: Kollektivdosis für alle Generationen und Anzahl der dadurch ausgelösten Krankheitsfälle durch die Gesamtmenge der bisher kontrahierten Brennelemente (Zurück zum Text) ![]() Die Verlagerung der Wiederaufarbeitung in das Ausland bringt für die deutsche Bevölkerung nur scheinbar eine Entlastung von der damit verbundenen regionalen Kollektivdosis. Denn es muß die Bedeutung der Modelldefinition "regional" vergegenwärtigt werden (Berechnung bis zum Radius von 3000 km!), um würdigen zu können, daß ein beachtliche Anteil der lokalen und regionalen Dosis aus dem Ausland, vor allem aus La Hague, auch die deutsche Bevölkerung betrifft. Die Planungsdaten für die neue Anlage in Sellafield gehen von einer rigorosen Senkung der lokalen und regionalen Dosis auf einen in der Relation vernachlässigbaren Wert aus, offenbar, um die Akzeptanz der Anlage vor Ort sicherzustellen. Betrachtet man nämlich den globalen Anteil der Dosis, der hauptsächlich die auswärtige Bevölkerung trifft, bleibt durchaus ein bemerkenswerter Schaden übrig. Durch die drastische Zunahme der Kollektivdosis bei der Wiederaufarbeitung im Ausland ist trotz der Tatsache, daß davon die deutsche Bevölkerung nur mit einem Anteil betroffen ist, das absolute Ausmaß der gesundheitlichen Schäden trotz der größeren Entfernung der Wiederaufarbeitung sogar noch größer als nach den Planungsdaten der Anlage im Inland. Besonders deutlich wird eine nationale Optimierung in Großbritannien mit Belassung des überwiegenden Schadensanteils im Ausland, wenn die Kollektivdosen über alle Generationen betrachtet werden. Die ca. 40.000-60.000 Krebsfälle (und genetischen Schäden) verteilen sich weitgehend gleichmäßig auf die gesamte Weltbevölkerung, da der größte Anteil von der globalen Kollektivdosis bestimmt wird. Gemessen am gesamtdeutschen Anteil an der Weltbevölkerung fallen also etwa 800 Krankheitsfälle auf unsere Bevölkerung zurück. Die nationale Zuordnung der ausgelösten Gesundheitsschäden sollte aber für ihre Beurteilung keine Rolle spielen, zumal der überwiegende Teil der Geschädigten lediglich den Schaden zu tragen haben wird, ohne vom Energienutzen partizipiert zu haben. |
Die gesamte Studie ist als PDF-File bereitgestellt. Er kann mit
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werden. Der Acrobat-Reader kann für zahlreiche Rechner-Plattformen
kostenlos heruntergeladen werden bei:
http://www.adobe.com/support/downloads/main.html
waa.pdf 833 kB | H. Kuni: Abschätzung der Gesundheitsschäden in der Bevölkerung durch die Wiederaufarbeitung 43 S., 10 Tab., 15 Abb., Marburg, 1998 |
http://www.oh-strahlen.org/docs/waasum.htm Stand: 09.04.2019 Impressum Datenschutzerklärung | Zur Startseite Prof. Kuni |